Tanja Blixen

Menschen, dich nachts im Schlafe träumen, kennen ein Glück, das die Tageswelt nicht gewährt, eine stille Verzückung, ein Schweben der Seele, das wie Honig auf der Zunge ist. Und sie wissen auch, dass die Wonne der Träume das Gefühl grenzenloser Freiheit ist. Es ist nicht die Freiheit des Tyrannen, der der Welt seinen Willen aufdrängt, sondern die Freiheit des Künstlers, der keinen Willen hat, der frei von Willen ist. Die Freude des wahren Träumers besteht nicht im Inhalt des Traumes, sondern in etwas anderem: darin, dass sich alles ohne sein Zutun ereignet und seiner Einwirkung völlig entzogen ist. Große Landschaften erschaffen sich selbst, weite herrliche Ausblicke, schwellende und zarte Farben, Straßen, Häuser, die er nie gesehen, von denen er nie gehört hat. Fremde Menschen treten auf und sind seine Freunde oder Feinde, obgleich der Träumende nie etwas mit ihnen zu schaffen gehabt hat. Die Vorstellung des Fliegens und Dahinjagens kehren in Träumen immer wieder und sind nicht minder berauschend (…) Und immer umfängt den Träumer das Gefühl der unermesslichen Freiheit und durchströmt ihn wie Luft und Licht als überirdische Seligkeit.

Tanja Blixen

Wenn du abends einschlafen willst, …, mußt du nicht, wie man immer gesagt bekommt, an einen langen Zug Schafe oder Kamele denken, die sich durch ein Gatter drängen, denn Sie wandern alle in eine Richtung und deine Gedanken wandern mit ihnen. Du denkst besser an einen tiefen Brunnenschacht. In der Tiefe dieses Schachts entspringt ein Wasserstrahl und verteilt sich in kleinen Rinnsalen nach allen Seiten wie die Strahlen eines Sterns.  Wenn du deine Gedanken dahin bringst, daß sie mit dem Wasser strömen, nicht in eine Richtung, sondern gleichzeitig nach allen Seiten, dann schläfst du ein.