Hermann Hesse

Ich möchte auch von der Schlaflosigkeit als Krankheit noch ein Wort sagen, obwohl es vielleicht überflüssig ist, denn die Schlaflosen alle wissen wohl, was ich sagen will. Doch lesen sie vielleicht gerne etwas ausgesprochen, was ihnen bekannt, aber sonst kein Gegenstand des Redens ist. Ich meine die innere Erziehung, welche das Nichtschlafenkönnen geben kann. Jedes Kranksein und Wartenmüssen ist ja ein nicht misszuverstehender Lehrmeister. Doch ist die Schule aller nervösen Leiden besonders eindringlich. »Der muss viel gelitten haben«, sagt man von Menschen, die in Bewegung und Rede ein ungewöhnliches Mass von zurückhaltender Feinheit und zarter Schonung zeigen. Die Herrschaft über den eigenen Leib und über die eigenen Gedanken lehrt keine Schule so gut wie die der Schlaflosen. Zart anfassen und schonen kann nur einer, der dieses zarten Anfassens selber bedarf. Milde betrachten und liebevoll die Dinge abwägen, seelische Gründe sehen und alle Schwächen des Menschlichen gütig verstehen kann nur einer, der oftmals in der unerbittlichen Stille einsamer Stunden seinen eigenen ungehemmten Gedanken preisgegeben war. Die Menschen sind im Leben nicht schwer zu erkennen, welche viele Nächte mit wachen Augen stillgelegen sind.

Hermann Hesse

Ich möchte auch von der Schlaflosigkeit als Krankheit noch ein Wort sagen, obwohl es vielleicht überflüssig ist, denn die Schlaflosen alle wissen wohl, was ich sagen will. Doch lesen sie vielleicht gerne etwas ausgesprochen, was ihnen bekannt, aber sonst kein Gegenstand des Redens ist. Ich meine die innere Erziehung, welche das Nichtschlafenkönnen geben kann. Jedes Kranksein und Wartenmüssen ist ja ein nicht misszuverstehender Lehrmeister. Doch ist die Schule aller nervösen Leiden besonders eindringlich. »Der muss viel gelitten haben«, sagt man von Menschen, die in Bewegung und Rede ein ungewöhnliches Mass von zurückhaltender Feinheit und zarter Schonung zeigen. Die Herrschaft über den eigenen Leib und über die eigenen Gedanken lehrt keine Schule so gut wie die der Schlaflosen. Zart anfassen und schonen kann nur einer, der dieses zarten Anfassens selber bedarf. Milde betrachten und liebevoll die Dinge abwägen, seelische Gründe sehen und alle Schwächen des Menschlichen gütig verstehen kann nur einer, der oftmals in der unerbittlichen Stille einsamer Stunden seinen eigenen ungehemmten Gedanken preisgegeben war. Die Menschen sind im Leben nicht schwer zu erkennen, welche viele Nächte mit wachen Augen stillgelegen sind.

Hermann Hesse

Du liegst in später Nacht zu Bett und kannst nicht schlafen. Die Strasse ist still, in den Gärten rührt der Wind zuweilen die Bäume. Irgendwo schlägt ein Hund an; in einer fernen Strasse fährt ein Wagen. Du hörst ihn genau, du erkennst am wiegenden Geräusch, dass es ein Wagen auf Federn ist, du folgst ihm in Gedanken, er biegt um eine Ecke, er fährt plötzlich schneller und bald zerrinnt das eilige Rollen leis in die grosse Stille. Dann ein später Fussgänger. Er geht rasch, sein Tritt hallt sonderbar in der leeren Strasse. Er bleibt stehen, schliesst eine Tür auf, zieht sie hinter sich zu, und wieder ist grosse Stille. Wieder und noch einmal klingt ein kleines Stück Leben herein, immer seltener, immer schwächer, und dann kommen die Stunden, wo alles müde ist und jeder leiseste Wind und jedes feine Mörtelkorn, das hinter den Tapeten niederrinnt, laut hörbar und mächtig wird und dir die Sinne erregt. Und kein Schlaf. Nur die Müdigkeit zieht einen feinen Schleier über-Augen und Gedanken, du hörst ein rastloses Blut im Ohre klingen, du hörst im schmerzenden Kopf das feine, fiebernde Leben, du spürst in aufliegenden Adern den gleichmässigen und doch verwirrenden Takt der Pulse.

Hermann Hesse

Allen Leichtfertigen, obenhin Lebenden und mit Gesundheit Prahlenden aber wünsche ich je und je eine Nacht, in der sie ohne Schlummer liegen und dem vorwurfsvollen Hervortreten ihres inneren Lebens stillhalten müssen.
Aus „Schlaflose Nächte“.

Hermann Hesse

Der Schlaf ist eine der köstlichsten Gaben der Natur, ein Freund und Hort, ein Zauberer und leiser Tröster, und jeder tut mir in der Seele leid, der die Qual langdauernder Schlaflosigkeit kennt, der gelernt hat, sich mit halben Stunden eines fiebrigen Eindämmerns zu begnügen. Aber ich könnte einen Menschen nicht lieben, von dem ich wüsste, dass er in seinem Leben keine schlaflose Nacht gehabt hat, er müsste denn ein Naturkind von naivster Seele sein.